Woche 42
(Hör-) Buch Nummer 42
Unterwerfung von Michel Houellebecq (audible Guthaben)
Es ist vielleicht der umstrittenste Roman der letzten Jahre: ›Unterwerfung‹ handelt vom Zusammenprall der Kulturen und stellt Fragen zum Verhältnis von Orient und Okzident, von Judentum, Islam und Christentum – Fragen, die heute so relevant sind wie nie. Goncourt-Preisträger Michel Houellebecq präsentiert sich als furchtloser Gesellschaftsdenker, der die bestimmenden Spannungsverhältnisse unserer Epoche mit großer Ernsthaftigkeit – und zugleich mit virtuoser Ironie – ausdeutet.
Er erzählt in ›Unterwerfung‹ die Geschichte des Literaturwissenschaftlers François. Der Akademiker forscht im Frankreich einer sehr nahen Zukunft zu dem dekadenten Schriftsteller Huysmans, der ihn sein Leben lang fasziniert. Zugleich verfolgt er die Ereignisse um die anstehende Präsidentschaftswahl: Während es dem charismatischen Kandidaten der Bruderschaft der Muslime gelingt, immer mehr Stimmen auf sich zu vereinigen, kommt es in der Hauptstadt zu tumultartigen Ausschreitungen. Als schließlich ein Bürgerkrieg unabwendbar scheint, verlässt François Paris ohne ein bestimmtes Ziel. Es ist der Beginn einer Reise in sein Inneres.
Mein zweites Buch von Houellebecq. Serotonin hab ich ziemlich gefeiert und ich habe recht schnell gemerkt, dass es hier bei Unterwerfung wieder ein ähnlicher Typus aka Antiheld unterwegs ist, der dem Autor auf eine gewisse Art und Weise ähnelt. Wieder depressiv und am Rande des Suizids, wieder unfähig, richtige Beziehungen zu haben, wieder Alkoholiker, wieder nihilistisch.
Aber man sollte Houellebecq nicht unterschätzen. Das Buch ist zwar einfach und klar geschrieben, aber jeder Satz ist wohlüberlegt und intelligent, sodass ich bei seinen teils satirischen Anmerkungen schmunzeln musste. Ich fand das Eintauchen in die Literatur von Huysmans so interessant beschrieben, dass ich jetzt selbst Lust habe, den Autor kennenzulernen. Gleichzeitig ist alles fein verwoben in die Handlung und in das politische und gesellschaftliche Geschehen Frankreichs.
Inhaltlich ist es auch sehr spannend. Natürlich ist es provokant und dass Charlie Hebdo die Titelstory diesem Buch gewidmet hat und daraufhin von den islamistischen Terroristen ermordet wurden, ist eine traurige Art und Weise der Bekanntmachung.
Häufiger wurde der Vergleich mit "Die Kandidatin" gezogen, wobei "Unterwerfung" nicht so ausführlich, aber dafür viel feinsinniger ist. Ich mochte die Beschreibung der französischen Gesellschaft und Kultur, auch wenn ich vieles davon nicht kannte oder nur teilweise nachvollziehen konnte. Man muss auch großes Lob an Christian Berkel aussprechen, der das Buch ganz fantastisch gelesen hat, inkl der französischen Wörter!
"Unterwerfung" beschreibt mehr die französische und westeuropäische Gesellschaft als Ganzes und nicht nur die Gefahr der Islamisierung, sondern ist einfach vielschichtiger. Aber dafür muss man es einfach gelesen bzw gehört haben. "Die Kandidatin" kann dem Buch literarisch nicht mal ansatzweise das Wasser reichen.
Etwas schwach fand ich hingegen den Wandel der Gesellschaft bzw des politischen Systems im Buch. Das ging mir dann doch etwas zu schnell bzw wirkte etwas unausgereift. Da hätten durchaus nochmal 100 Seiten Zwischenspiel dazu kommen können.
Nichtsdestotrotz ein spannendes und provokantes Buch, das eine dystopische Zukunft bereit hält.