"Israelfeindlich, links und einseitig? Wie die ARD Kritik abperlen lässt
Die Kontroverse um die Auszeichnung der ARD-Korrespondentin in Tel Aviv mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis lenkt vom eigentlichen Thema ab. In der Debatte über die Fehlleistungen des öffentlichrechtlichen Rundfunks zeigt sich der Zustand der Bundesrepublik.
Das Medienmagazin «Zapp» des Norddeutschen Rundfunks (NDR) machte letzthin vor, wie man beim öffentlichrechtlichen Rundfunk (ÖRR) in Deutschland mit Kritik umgeht. Obwohl laut einer Akzeptanzstudie gerade noch 44 Prozent der Menschen finden, dass die ARD ihnen eine Stimme verleihe, gibt sich die Eingangsfrage «Das Programm – einseitig und ohne Meinungsvielfalt?» betont ironisch. Ausser vonseiten der Publizistin Nena Brockhaus kommt in der 50-minütigen Sendung mit dem Titel «Zu grün, zu links, zu einseitig? Was am ÖRR-Vorwurf dran ist» denn auch keine ernstzunehmende Kritik zu Wort.
Nicht fehlen darf dagegen die übliche Selbstrechtfertigung bei Gegenwind: dass nämlich das Thema der journalistischen Unausgewogenheit «von bestimmten Akteuren, gerade von rechts», insbesondere von der AfD, «am Laufen gehalten wird». Man gibt vor, journalistische Standards zu beleuchten, lässt sie im gleichen Atemzug aber selber ausser acht, indem man das eigene Feindbild pflegt. Damit dokumentiert man just die Schieflage, die Umfragen bestätigen.
«Ein bisschen» fehlten die konservativen, marktliberalen Stimmen, «ein bisschen links der Mitte» sei «vielleicht» die Position der Berichterstattung schon, wiegelt im Film ein Kommunikationswissenschafter ab: dass es in den Redaktionen eine «extrem deutliche Minderheit von konservativ denkenden Menschen» gibt? Das könne man «schon auch» als ein Problem betrachten, «wenn man annimmt, dass sich das dann eben niederschlägt in der Art der Berichterstattung».
Bemerkenswert, wie ein Professor von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz hier framt in der Annahme, dass Fernsehjournalisten das in ihrer Gruppe nachweislich vorherrschende Weltbild bei der Arbeit ausknipsten. Fazit: Es gebe zwar den Bedarf, «ein bisschen gegenzusteuern», denn die ÖRR-Skeptiker hätten «im Grunde ein bisschen recht». Er möchte diesen aber dennoch zurufen: «Ihr übertreibt es.»
Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis
Die «Zapp»-Redaktion liefert hier ein Paradebeispiel, wie die öffentlichrechtlichen Sender die Forderung nach Meinungsvielfalt seit Jahren in den Wind schlagen und unbekümmert weitermachen wie bis anhin. Selbst eine Geschichte, für die man sich bereits öffentlich entschuldigt hat, tischt man nochmals auf: In dem Sketch diskreditiert die NDR-Moderatorin Anja Reschke die nicht zuletzt aufgrund von internen Intrigen geschasste konservative Journalistenkollegin Julia Ruhs und rückt sie in den Nimbus des Rechtsradikalen. Man sagt zwar, dass man sich dafür entschuldigt habe, thematisiert aber vor allem das ganze Unbehagen der Redaktion, das mit diesem Versuch, Meinungsvielfalt herzustellen, verbunden sei.
Bei der ARD scheint man mittlerweile nicht nur bei über der Hälfte der Zuschauer die Glaubwürdigkeit verloren zu haben, sondern auch die Fähigkeit der Selbsteinschätzung. Das zeigte sich erneut vergangene Woche rund um die Vergabe des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises an die Tel-Aviv-Korrespondentin Sophie von der Tann. Ihre einseitige Haltung im Nahostkonflikt wurde spätestens nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 eklatant und sorgt seither für anhaltende Kritik. Stossend sei diese Preisvergabe nicht zuletzt deshalb, so der Tenor, weil der Namensgeber Hajo Friedrichs für den vielzitierten Satz stehe, dass Journalisten Distanz halten müssten und «sich nicht gemein machen mit einer Sache».
Sophie von der Tann verkörpert dieses journalistische Prinzip nicht. In ihren Reportagen hat die palästinensische Sache immer ein menschliches Gesicht; demgegenüber stehen auf israelischer Seite notorisch gewaltbereite Siedler und «Netanyahus rechtsradikale Regierung» abstrakt für das eindimensionale Böse im Nahostkonflikt, als gäbe es in Israel keine differenzierten Meinungen. Die «Welt» moniert, von der Tanns Berichterstattung weise «auffallende Einseitigkeit» auf, zeuge von einer «Befangenheit gegenüber Israel» und greife zu
«Tatsachenbehauptungen ohne Distanzierung».
In diesem Kontext wirkt die Begründung der Jury für die Auszeichnung von der Tanns mehr wie eine ideologische Ansage denn wie ein feierliches Lob auf preiswürdigen Journalismus: Es gelte, «Haltung zu bewahren», denn gegen die Journalistin gebe es «brutale» und «orchestrierte Reaktionswellen» auf sozialen Plattformen.
«Angriff auf die Pressefreiheit»?
Tatsächlich ist der Nahostkonflikt derzeit ein Minenfeld für Auslandskorrespondenten. Dass indes in Deutschland zwangsläufig Probleme bekommt, wer kritisch über Israels Politik berichtet, wie die Jury behauptet, ist ein Unsinn, der die eigentliche Diskussion abblocken soll. Ins gleiche Horn bläst die linke «TAZ», wenn sie unter dem Titel «Was wir schützen müssen» angesichts der Kritik an von der Tann vor einem «Angriff auf die Pressefreiheit» warnt. Hier tobt der Kulturkampf, und ein ganzes Milieu schart sich um eine 34-jährige Journalistin, macht sie zum Opfer einer angeblichen Kampagne, ohne sich mit den Vorwürfen sachlich auseinanderzusetzen.
Journalistische Arbeit indes ist öffentlich nachvollziehbar. Man muss sich nur den Kommentar Sophie von der Tanns zum 12. Mai ansehen. Aus Anlass von sechzig Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, zu dem Jubiläum von historischer und aussenpolitischer Tragweite, holt die Korrespondentin aus zu einer Brandrede gegen die israelische Nation und fordert, dass die Staatsräson «neu definiert werde», wenn diese nicht eine «nahezu bedingungslose Unterstützung einer teils rechtsextremen Regierung bedeuten» solle. Das ist eine unmissverständliche Aufforderung zur Aufhebung von Deutschlands Bekenntnis zu Israels Sicherheit. Und darum geht es letztlich.
Die Begründung der Jury, der die ARD-Talkmasterin Sandra Maischberger und der frühere Chef des ZDF-«Heute Journals» Claus Kleber vorstehen, weist allein schon als eine Art interne Familienfeier eine politische Schlagseite auf im Sinne von «Wir lassen uns unsere eigene Meinungsmache nicht verbieten».
Die ARD ist ein Leitmedium, das mit der Nachrichtensendung «Tagesthemen» täglich viele Millionen Zuschauer in Deutschland erreicht. Aus diesem Umstand erwächst dem ÖRR eine besondere Verantwortung. In der «FAZ» fällt Esther Schapira, Autorin und ehemalige Redaktorin des Hessischen Rundfunks, ein vernichtendes Urteil, wenn sie schreibt, von der Tann sei «das junge ARD-Gesicht der Parole «Free Palestine from German Guilt».
Es ist so: Wer Deutschlands Staatsräson, das Bekenntnis zu Israels Sicherheit zur Disposition stellt, der negiert, dass Israels Existenzrecht aus historischer Verantwortung heraus eine ethische Pflicht ist. Haben die Verantwortlichen im ÖRR die Warnzeichen der Zeit wirklich noch nicht erkannt?
Hier fasst die Rhetorik jenes postkolonialen Milieus Fuss, das die deutsche Erinnerungskultur nach dem Holocaust im Visier hat, weil sich damit auch Israel delegitimieren lässt. Das zeigte sich gerade wieder unmissverständlich an einer Konferenz in Zürich. Unter dem Titel «Der grosse Kanton. Rise & Fall of the BRD» wurde bezüglich der Solidarität Deutschlands mit Israel im Gaza-Konflikt behauptet, in Deutschland dürften nur noch die Vertreter dieser Staatsräson ihre Meinung sagen.
Der Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ist jedenfalls beschädigt in seinem Ansehen. Nehmen die Verantwortlichen nicht wahr, welch gefährliche Folgen eine einseitige Israel-Berichterstattung für die Juden in Deutschland hat? Arbeitet der ÖRR aktiv daran mit, das Verhältnis Deutschlands zu Israel zu verändern? Journalisten sollten wieder vermehrt die Argumente zur Verfügung stellen, die es in der Demokratie braucht, um im Abwägen von Fakten den sozialen Frieden zu wahren.
Es ist in diesem Kontext tatsächlich auch eine politische Entscheidung der Jury, eine Journalistin auszuzeichnen, die für jenen Zeitgeist steht, der mit der deutschen Staatsräson Israels Legitimität zur Disposition stellt. Insofern belegt diese Preisvergabe, wie sich der ÖRR vom gesellschaftlichen Dialog verabschiedet. Man bestärkt sich in der eigenen, einseitigen Haltung und ist stolz drauf.
«Diffamierung»
Die Debatte kommt zu einem Zeitpunkt, in dem die Glaubwürdigkeit der Gaza-Berichterstattung im ÖRR ohnehin verstärkt Gegenstand von Kritik ist, nachdem bei einem israelischen Angriff ein für das ZDF tätiger Techniker getötet worden ist. Dessen Hamas-Mitgliedschaft dementierte der Sender zuerst vehement.
Das grundsätzliche Problem geht weit über die einzelne Journalistin hinaus. So lässt der Programmdirektor des Bayerischen Rundfunks (BR) angesichts der Kritik an der Korrespondentin im Studio Tel Aviv, das dem BR angegliedert ist, verlauten, man betreibe «unabhängigen Journalismus im permanenten Bewusstsein unserer Verantwortung». Solche «Diffamierungen» würden «den demokratischen Diskurs» untergraben und «eine konstruktive Diskussion» verhindern. Dem trete man «entschieden entgegen». Ende der Durchsage.
Während die BBC jüngst Rücktritte auf höchster Ebene verzeichnet, unter anderem wegen einseitiger Berichterstattung aus Gaza, gibt man sich beim ÖRR unbelehrbar. Das Ganze ist auch ein Beispiel dafür, wie in Deutschland mittlerweile Debatten ablaufen: Kritik wird umgemünzt in Beschuldigungen an die Adresse der Gegenseite. Man gibt die Vorwürfe einfach zurück beispielsweise an «Israel-Kreise», «Frauenfeinde» oder in die «rechte Ecke».
Diese Taktik verhindert mittlerweile jede vernünftige Debatte, zumal hier, wo es eigentlich um Meinungspluralismus ginge. Dabei wäre es eine wichtige Frage, wie eine kritische Berichterstattung über Israel seitens deutscher Leitmedien aussehen müsste. Das breite Engagement für Sophie von der Tann ist auch ein Ablenkungsmanöver. Die Diskussion um sie verstellt den Blick aufs grosse Ganze.
Der frühere SWR-Intendant und ehemalige «Heute Journal»-Moderator Peter Voss sprach angesichts der einseitig links-ideologisch ausgerichteten Berichte in der ARD und im ZDF schon vor längerem von «systemisch bedingten Politskandalen». Er hegte Zweifel, ob die zeitkritischen Magazine «fähig und willens» seien, über «eindimensionale Wahrnehmungen» hinaus «tiefer zu schürfen» und gegenüber vermeintlichen Selbstverständlichkeiten «relativierende Fakten und Argumente zutage zu fördern».
Man muss sich nur «Zapp» anschauen. In der eingangs erwähnten Sendung wird auf höchster Ebene nachgefragt, wie es denn nun aber um die «vielkonstatierte Lücke» bei den konservativen Zuschauern stehe. Die Antwort der ARD-Programmdirektorin Christine Strobel: «Ich wüsste nicht, wer sie festgestellt hat.»
Ich persönlich bin ja der Meinung das wir nach wie vor einen ÖRR brauchen, aber eben nicht so wie er sich momentan darstellt. Einfache Reformen werden da sicherlich nicht mehr reichen.. wobei ja nicht jede linke Stimmung oder Meinung zurückgedrängt im ÖRR zurückgedrängt werden muss sondenr es muss einfach wieder raum für den Rest des zulässigen politischen Spektrums her und das geht nunmal nicht nur bis zu konservativen Meinungen sondern eben auch bis rechts.