Weil wir ja gerade beim Thema sind
https://taz.de/Auslieferung-nach-Ungarn/!6020213/
"Auslieferung nach Ungarn :Antifaschist*in wird ausgeliefert
Ein*e Thüringer Antifaschist*in soll sich an Angriffen auf Neonazis in Budapest beteiligt haben. Nun wird die Person nach Ungarn ausgeliefert.
BERLIN taz | Monatelang hatte das Verfahren gedauert, gingen Schriftsätze von Berlin nach Budapest hin und her. Nun entschied das Berliner Kammergericht: Ein*e Thüringer Antifaschist*in, Maja T., wird nach Ungarn ausgeliefert. Die nonbinäre Person soll sich mit anderen deutschen Autonomen im Februar 2023 an Angriffen auf Rechtsextreme in Budapest beteiligt haben, die sich dort zum Großaufmarsch „Tag der Ehre“ trafen.
Maja T. war bereits im vergangenen Dezember in Berlin festgenommen worden und saß seitdem in der JVA Dresden in Haft. Ungarn hatte darauf die Auslieferung beantragt. Sven Richwin, Anwalt der 23-jährigen Person, hatte dem widersprochen. Für Antifaschist*innen wie Maja T. sei in Ungarn unter der rechtsautoritären Regierung von Viktor Orban kein faires Verfahren zu erwarten, betonte er. Auch seien die Haftbedingungen in dem Land nicht menschenrechtskonform, insbesondere für nonbinäre Menschen. Auch Menschenrechtsorganisationen wie das Helsinki Committee for Human Rights hatten zuletzt die Bedingungen in ungarischen Haftanstalten kritisiert.
Das Berliner Kammergericht entschied nun aber, dass die Auslieferung von Maja T. zulässig ist. Die Tat sei in Ungarn geschehen, deshalb müsse sich die beschuldigte Person auch dort verantworten, argumentiert das Gericht. Hindernisse für eine Auslieferung nach Ungarn seien nicht ersichtlich.
Das Kammergericht verweist dabei auf Garantieerklärungen des ungarischen Justizministeriums, das zusicherte, dass es für Maja T. menschenrechtskonforme Haftbedingungen geben werde. Anhaltspunkte, dass sich Ungarn an diese Zusicherungen nicht halte, gebe es nicht, so das Kammergericht. Zudem schütze die ungarische Justiz durchaus gefährdete Gefangene, auch im Fall ihrer sexuellen Orientierung, behauptet die Kammer. Die Anwälte von Maja T. und deutsche Konsulatsmitarbeitende hätten die Möglichkeit, dies zu überprüfen und bei Verstößen zu intervenieren.
Das Berliner Kammergericht sieht auch keine konkreten Hinweise, dass der ungarische Staat in die richterliche Unabhängigkeit eingreifen könnte. Zudem bot das ungarische Justizministerium offenbar an, dass Maja T. im Falle einer Verurteilung in Ungarn die Haft anschließend in Deutschland verbüßen könnte, sofern dies beantragt würde.
Anwalt attestiert dem Gericht „Naivität“
Sven Richwin, Anwalt von Maja T., kritisierte den Beschluss des Berliner Kammergerichts deutlich. Dieser erfolge in einer „fahrlässigen Naivität“. Die Zusicherungen der ungarischen Behörden seien lediglich „floskelhaft“. Deutschland versuche, den Rechtsschutz von Maja T. „auszuhebeln“.
Laut Richwin hätten noch in der Nacht Versuche begonnen, Maja T. direkt nach Ungarn zu überstellen – in einer „Nacht- und Nebelaktion“ des sächsischen Landeskriminalamts. Der Anwalt hatte am Morgen keinen Kontakt zu Maja T. mehr. Möglich war, dass T. da bereits nach Ungarn gebracht wurde.
Richwin stellte einen Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht, um die Auslieferung noch zu verhindern. Ein Sprecher des Gerichts bestätigte den Eingang eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Wann darüber entschieden werde, sei offen.
Ein Solidaritätsbündnis für Maja T. rief dazu auf, am Freitag vor der JVA in Dresden zu protestieren, wo die Antifaschist*in bisher inhaftiert war. „Eine Auslieferung muss verhindert werden“, heißt es in einem Aufruf.
Auch der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein forderte, die Auslieferung zu stoppen. „Wir sind schockiert, dass ein deutsches Gericht nun wahrmacht, wovor es jedem rechtsstaatlich denkenden Menschen graut“, erklärte RAV-Vorständin Angela Furmaniak. „Eine queere Person in ein offen queerfeindliches System wie Ungarn zu schicken, verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.“
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner warnte ebenso, dass Maja T. in Ungarn „erniedrigende Haftbedingungen und eine Verurteilung aufgrund politischer Vorgaben des autoritär-rechten Orban-Regimes“ drohten. Mindestens müsse Maja T. die Chance gegeben werden, die Auslieferung vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen. Der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg forderte, die Auslieferung zu stoppen. Er habe „große Zweifel“, dass Maja T. in Ungarn ein faires Verfahren erwarte.
Auch Thüringer Landespolitikerinnen kritisierten die Entscheidung scharf. Die Linken-Abgeordnete Katharina König-Preuss erklärte, mit der Entscheidung werde „die Rechtstaaatlichkeit ad absurdum geführt“. Während die EU Gelder für Ungarn in Milliardenhöhe eingefroren habe, weil Orban rechtstaatliche Standards nicht einhalte, liefere Deutschland einen nonbinären Menschen dorthin aus, so die Politikerin. Maja T. drohten dort nun „enorme Repression“, die ungarische Justiz sei nicht unabhängig. Im Land herrsche „ein Klima der Angst bei politisch Aktiven“. König-Preuss forderte die Bundesregierung auf, „alle Hebel in Bewegung zu setzen“, um die Auslieferung noch zu verhindern.
Auch die Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling erklärte, in Ungarn sei mit keinem fairen Verfahren für Maja T. zu rechnen. „Eine Auslieferung widerspricht der Europäischen Menschenrechtskonvention und muss gestoppt werden.“
Bei den Angriffen in Budapest im Februar 2023 hatten Autonome Teilnehmende des rechtsextremen „Tag der Ehre“ angegriffen und teils schwer verletzt. Noch vor Ort waren zwei deutsche Tatverdächtige und eine Italienerin festgenommen worden, gegen die bereits ein Prozess läuft. Nach zehn weiteren Deutschen wurde gefahndet, das Verfahren hat inzwischen die Bundesanwaltschaft übernommen.
Nach der Festnahme von Maja T. war im Mai eine zweite Gesuchte, Hanna S., in Nürnberg festgenommen worden. Weitere Linke sind bis heute abgetaucht, weil sie ebenfalls eine Auslieferung nach Ungarn fürchten. Auf ein Angebot sich zu stellen, wenn eine Nichtauslieferung zugesichert werde, ging die Bundesanwaltschaft bisher nicht ein."
Da nimmt ein "Non-Binäres" Aktivisti an schwersten Gewalttaten im EU-Ausland teil und das dann schockiert wenn man sich der Gerichtsbarkeit vor Ort stellen soll.
Immerhin melden sich da wieder einmal genau die Richtigen zu Wort, u.a. Martina Renner