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"Auftakt der Spielemesse Gamescom
Harte Zeiten für die Spaßbranche
In Köln startet diesen Mittwoch die weltgrößte Spielemesse. Präsentiert werden Hunderte neue Games, doch die glitzernde Fassade täuscht: Viele Spielestudios stehen massiv unter Druck.
Für viele Fachbesucherinnen und Fachbesucher begann das Gamescom-Chaos dieses Mal bereits zwei Tage früher. Am Montag waren ihre digitalen Terminkalender im offiziellen Onlineplanungstool der Spielemesse auf einmal vollgepackt mit neuen Einzelgesprächen, teils mit wildfremden Personen. »Herzlichen Glückwunsch! Sie haben ein neues bestätigtes Treffen«, hieß es zu jeder Verabredung. Mancher Kalender wurde gleich mit 18 neuen Meetings geflutet. Das Ganze hatte etwas von Networking mit der Brechstange, mit willkürlich auferlegten Dates.
Montagabend folgte dann eine Entschuldigungs-Mail der Gamescom-Veranstalter. Man habe eine neue Funktion getestet, hieß es, »den KI-Meeting-Generator«. Das Feedback darauf – gemeint ist vermutlich verwirrtes Fachpublikum – habe aber gezeigt, dass das Feature »nicht den gewünschten Mehrwert« biete. Die automatisch generierten Meetings verschwanden daraufhin wieder aus dem Tool.
Schlussendlich war das Ganze wohl nicht mehr als ein kleiner Fail. Man kann den Vorfall aber auch als neuestes Beispiel dafür heranziehen, wie sehr auch und gerade die Spielebranche um den richtigen Kurs für die Zukunft ringt. Das gilt insbesondere beim Thema künstliche Intelligenz (KI), das nahezu jeden Bereich der Spielentwicklung tangiert – vom Bau virtueller Welten bis zum Vertonen von Spielfiguren oder zum Moderieren von Gamechats. An vielen Stellen fragen sich Entscheider: Wie viele Menschen benötigen wir für diese Aufgaben überhaupt noch?
Rund 4000 Entlassungen allein 2025
Seit dem Corona-Hoch, das große Teile der Branche beflügelte, machen viele Spielestudios ohnehin schwere Zeiten durch. Ungefähr seit 2023 folgt eine Entlassungswelle der anderen, diverse Studios wie Piranha Bytes haben aufgegeben oder wurden geschlossen. Laut der Onlineübersicht Game Industry Layoffs haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren geschätzt mindestens 29.000 Beschäftigte ihre Jobs verloren, 4000 davon in diesem Jahr . Auch manche Spielemedien machten dicht oder verschwanden in der Irrelevanz.
Die verbliebenen Gamesfirmen liefern sich einen knallharten Konkurrenzkampf, zumal die Erwartungen an neue Games größerer Teams heutzutage immens sind: Die Fans fordern riesige Spielewelten, moderne Grafik und immer neue Herausforderungen. Das schlägt sich in den Entwicklungskosten nieder. Zugleich gibt es bereits erfolgreiche, sich ständig wandelnde Projekte wie »Fortnite« oder die Plattform Roblox, die Fans so eng an sich binden, dass diese kaum mehr Zeit, Geld oder Interesse für andere Titel aufbringen.
In Köln-Deutz, wo bis Sonntagabend mehrere Hunderttausend Besucherinnen und Besucher erwartet werden, sind solche Umwälzungen Nebensache. Zwischen Warteschlangen für Demosessions, Goodiebags und Autogrammstunden von Gaming-Influencern scheint die Spielewelt noch in Ordnung. Das Motto der Gamescom lautet diesmal, noch selbstverliebter ging es wohl nicht, »Games – Perfekte Unterhaltung«.
In den Messehallen wird sich die Gamesbranche wie gewohnt als superinnovative Entertainmentindustrie inszenieren, die sich anschickt, der Spielerschaft stets noch mehr Spaß zu bescheren. Dabei liefern sich viele Firmen im Hintergrund auch einen Wettkampf um die effektivsten, gerade noch legalen Verkaufstricks für das Abkassieren von Fans, vor allem in kostenlosen Onlinegames, die sich durch Zusatzkäufe finanzieren
Neue Spiele für altbekannte Reihen
Im Business- und Publikumsbereich sind rund 1500 Aussteller aus 72 Ländern vor Ort, darunter Branchenriesen wie Microsoft und Nintendo, die für das Xbox-Ökosystem und die Switch 2 werben, aber auch Entwicklerstudios aus Ländern wie Thailand und der Ukraine.
Viele größere Stände im Publikumsbereich drehen sich um neue Teile oder Ableger bestehender Spielereihen. Ubisoft etwa zeigt die Städtebausimulation »Anno 117: Pax Romana«, Capcom den Horrortitel »Resident Evil Requiem«. Kalypso Media hat das Weltkriegstaktikspiel »Sudden Strike 5« im Gepäck, THQ Nordic das Remake zum Rollenspiel-Klassiker »Gothic«. Zum Aushängeschild der Gamescom-Eröffnungsnacht am Dienstagabend wurde der Shooter »Call of Duty: Black Ops 7« auserkoren.
Wer auf der Gamescom innovative Spielkonzepte sucht, wird wie immer am ehesten in der Halle 10.2 an der sogenannten Indie Arena Booth fündig. Einzelentwickler und kleinere Teams zeigen dort an einem gemeinsamen Stand über 200 Games, die oft eher durch neuartige Ideen, als durch High-End-Grafik bestechen.
Die wohl meist erwartete Neuheit des nächsten Jahres, das Actionspiel »Grand Theft Auto VI«, das im Mai erscheinen soll, sucht man auf der Gamescom übrigens vergebens. Sein Hersteller Rockstar Games hat genauso wenig eine eigene Messepräsenz wie der Playstation-Hersteller Sony oder der »Fortnite«-Hersteller Epic Games.
Für einige Politiker ein Pflichttermin
Während sich manche relevante Firma die Messe im wahrsten Sinne des Wortes spart, wird es auch dieses Jahr wieder viele Politikerinnen und Politiker nach Köln ziehen. Schließlich wartet dort mit Videospielen ein vergleichsweise hippes und unverfängliches Thema, auf einer Messe, für die sich offline Hunderttausende und online Millionen Menschen interessieren. Im Fokus stehen wird dabei vor allem Dorothee Bär, die die Messe am Mittwochmittag mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) eröffnet. Die CSU-Politikerin ist seit Mai Bundesforschungsministerin und fortan offiziell für Games zuständig. Die entsprechende Zuständigkeit hatte sie sich aus dem Wirtschaftsministerium in ihr Haus geholt.
Inoffiziell ist Bär schon seit vielen Jahren so etwas wie die heimliche Gamesministerin, in der Branche ist sie durchaus wohlgelitten. Bereits 2011 zum Beispiel trat sie als Mitorganisatorin einer LAN-Party im Bundestag in Erscheinung und setzte sich für die Anerkennung von Games als Kulturgut ein. Es dauerte allerdings noch bis 2017, bis dann auch Bundeskanzlerin Angela Merkel die Branche mit einem Besuch der Gamescom adelte. 2018 hielt Bär als Staatsministerin für Digitalisierung die Eröffnungsrede zur Messe. Auch als ihr CSU-Kollege Andreas Scheuer formell die Zuständigkeit für die Gamesförderung übernahm, stand Bär in Köln weiter neben ihm, oder eher: er neben ihr.
Fakt ist: Keine andere prominente Politikerin trommelt bereits so lange und medienwirksam wie Bär für das Gaming. Und nutzt das so geschickt, um sich als wirtschafts- und jugendnahe Zukunftspolitikerin darzustellen.
Wenige Hits made in Germany
Um die Zukunftsfähigkeit des Spielentwicklungsstandorts Deutschlands steht es derweil gar nicht so gut, noch immer nicht. Zwar ist die Gamescom die größte Spielemesse der Welt, und es gibt immer mal wieder deutsche Titel wie »Enshrouded« oder »Chained Echoes«, die international Aufsehen erregen. Das meiste Geld selbst deutscher Spielerinnen und Spieler aber fließt in Titel, die in anderen Ländern produziert wurden.
Die Branche zieht die Politik dafür in Mitverantwortung. Zwar gibt es inzwischen auf Bundes- und Bundeslandsebene teils millionenschwere Förderprogramme für Games . Viele langjährige Wünsche an die Politik aber gingen auch nicht in Erfüllung. So träumten manche Spielerinnen und Spieler nach dem Besuch von Kanzlerin Merkel auf der Gamescom etwa von einer gesetzlichen Gleichstellung des E-Sports mit klassischen Sportdisziplinen wie Fußball, Eishockey oder Schach. Hoffnung machte, dass die großen Parteien jedes Jahr Spitzenvertreterinnen und Spitzenvertreter nach Köln sandten, um bei der jungen Wählerschicht gute Stimmung zu machen.
Wenn es dann aber um konkrete Gesetze ging, duckte sich die Politik weg: Über die Gleichstellung etwa sollte allein der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) entscheiden. Der lehnt E-Sport-Hits wie »Counter-Strike« aber rundheraus ab, nur Sportsimulationen wie dem Fußballspiel »EA Sports FC« will er eine kleine Rolle zugestehen. Die Folge: Zwar gab es einige gesetzliche Erleichterungen, von einer Gleichstellung ist aber nicht mehr ernsthaft die Rede. Im jüngsten Koalitionsvertrag heißt es als Ziel: »Wir erkennen die Gemeinnützigkeit des E-Sports an.«
Das steht im Koalitionsvertrag
Platz fand darin außerdem die Sorge um die »Wettbewerbsfähigkeit unseres Games-Standorts«, welche durch »mehr Planbarkeit und Passgenauigkeit des Fördersystems« gestärkt werden soll. In Aussicht stellen CDU, CSU und SPD der Branche auch »steuerliche Anreize«.
Politischen und vor allem finanziellen Rückenwind könnten viele Studios wohl brauchen. Dem »Jahresreport der deutschen Gamesbranche 2025« zufolge gab es im Mai 910 deutsche Gamesunternehmen mit rund 12.130 Beschäftigten. Nach mehreren Jahren des Wachstums sanken beide Zahlen erstmals wieder. Der durch die Einführung der Gamesförderung des Bundes 2020 ausgelöste Boom bei Neugründungen sei »inzwischen vollständig abgeebbt«, konstatiert der Branchenverband game in seinem Report.
In einer Onlineabstimmung befragte der Verband vergangenen November 187 Mitgliedsunternehmen dazu, wie sie das »Engagement der Politik für die Gamesbranche« bewerteten. Mehr als 50 Prozent der befragten Firmen entschieden sich dabei für die Antwortoption »eher schlecht«, 17 Prozent für »sehr schlecht«. Mit »gut« und »sehr gut« antworteten nur 28 respektive 2 Prozent der Unternehmen.
Warum so viele Leute entlassen und entsprechend viele Studios geschlossen werden ? Zu lange haben die falschen Leute zu viel Geld in AAA(A) Spiele gesteckt die dann brachial gescheitert sind.. entweder weil man sich technisch zu weit aus dem Fenster gelehnt hat oder weil man einfach am potenziellen Publikum vorbei programmiert hat
Imho gabs da eine ähnlich fatale Entwicklung wie in Hollywood.. wenn Studios(oder eher deren Führungsriege/Investoren) anfangen zu glauben das sie (besser) wissen was ihre Kundschaft sehen will wie ihre Kundschaft selbst dann wird das problemtisch und geht in der Regel nach Hinten los
Und warum Deutschland als (Produktions)Standort nicht besonders gut da steht ist leicht erklärt.. zu lange hat man das ganze Thema in der Bevölkerung und Regierung komplett ignoniert oder eher ins Lächerliche gezogen obwohl in der Gamesbranche vor Jahren schon weltweit bereits mehr Geld verdient wurde als in der Filmbranche