An den Wänden des Messestands von Bosch sprießen Farne und andere Pflanzen, mittendrin steht sogar ein echter Baum. Die grüne Insel auf der Automechanika erinnert daran, dass die Umstellung auf eine klimaschonende Produktion grundsätzlich etwas Positives ist. Doch der Weg dorthin ist schwierig – das Wort Transformation war in der Autobranche zuletzt mit schlechten Nachrichten verbunden: Bosch und andere Zulieferer wollen Tausende von Stellen abbauen, Volkswagen erwägt Werksschließungen, weil sich vor allem die E-Autos des Konzerns schlecht verkaufen.
Auf einer Pressekonferenz bei der Automechanika präsentierte Bosch am Dienstag Scheibenwischer mit plastikfreier Verpackung und Bremsflüssigkeit ohne Gefahrstoffe. Produkte also, die sowohl für E-Autos als auch für Fahrzeuge mit Verbrennermotor funktionieren.
Auch bei Continental wurde hervorgehoben, dass es Komponenten gibt, die für jedes Auto gebraucht werden: „Wir wollen die Bremse weiter stärken, das wird auch in Zukunft ein Produkt sein, das benötigt wird“, sagte Enno Straten, der bei Continental von Schwalbach aus das Geschäft mit Ersatzteilen verantwortet. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass BMW am Dienstagmittag eine Gewinnwarnung wegen Problemen mit einem Bremssystem von Continental veröffentlichen würde.
Geringer Bedarf an Einzelteilen bei Elektromotoren
Straten stellt gleichzeitig fest, dass es an anderen Komponenten künftig „weniger Bedarf“ geben werde. Elektromotoren bestehen aus viel weniger Einzelteilen als Verbrennermotoren. Dass sich die Ausbreitung von E-Autos hinzieht, habe für Zulieferer wie Continental gewisse Vorteile, machte Straten deutlich: Man habe nun „etwas mehr Zeit“, sich auf die mit der Elektrifizierung verbundenen Änderungen einzustellen.
Das Ersatzteilgeschäft gehört zur sogenannten Automotive-Sparte von Continental, von der sich der Dax-Konzern mit Hauptsitz in Hannover wahrscheinlich trennen wird. Über die Abspaltung soll bis Jahresende entschieden werden. Der für die Sparte zuständige Vorstand Philipp von Hirschheydt zeigte sich auf der Automechanika selbstbewusst: Er bekräftigte, dass „wir ab Ende 2027, 2028 autonom fahrende Trucks in den USA auf den Markt bringen wollen“ – gemeinsam mit dem amerikanischen Unternehmen Aurora.
Ansonsten ging es bei seinem Ausblick für die nächsten Jahre aber vor allem um alte Autos. Das Durchschnittsalter der Bestandsflotte in Europa steigt seit Jahren. Das bedeute Chancen für das Geschäft mit Ersatzteilen oder Software-Updates, sagte Hirschheydt. Der sogenannte Aftermarket – dieser Begriff fasst Produkte und Dienstleistungen zusammen, die nach dem Verkauf des Fahrzeugs angeboten werden – wachse weltweit um drei bis vier Prozent im Jahr.
Schnellere Abnutzung durch höheres Gewicht
Zwar würden mit einer zunehmenden Elektrifizierung der Flotte perspektivisch weniger Ersatzteile benötigt, dafür nutzten sich Lenksysteme und Bremsen bei E-Autos wegen des Gewichts der Batterie schneller ab als bei Fahrzeugen mit Verbrennermotor, hieß es auf der Pressekonferenz weiter. Das zeigten Daten aus Norwegen, wo schon jedes vierte Auto mit Elektroantrieb unterwegs ist.
Gewisse Erfahrungswerte zum Reparaturbedarf bei E-Autos gibt es natürlich auch hierzulande schon. Am Stand von Schaeffler präsentierte Alex Moor, Produktmanager für E-Mobilität bei der Sparte Vehicle Lifetime Solutions, eine sogenannt Drei-in-eins-Achse, die E-Motor, Getriebe und Leistungselektronik in einem System vereint. Zu Ausfällen komme es hier typischerweise, wenn Kugellager durch den Strom beschädigt würden, erläuterte er. Schaeffler habe Reparatur-Kits entwickelt, mit denen sich dieses Problem dauerhaft beheben lasse. Diese Ersatzteile seien weit günstiger als der Austausch der gesamten E-Achse – die Standardlösung großer Autobauer.
Ähnliches berichtete Axel Blaschke von Corteco, dem Ersatzteilhersteller der Freudenberg-Gruppe. Das in Hirschberg an der badischen Bergstraße ansässige Unternehmen, das voraussichtlich im nächsten Jahr an den Hauptsitz der Mutter im nahen Weinheim umziehen wird, hat 26.000 verschiedene Ersatzteile im Angebot – darunter Dichtungen, Motorlager, Fahrwerkslager und Filter. „Unsere Umsatzzahlen sind stabil“, sagte Blaschke. „Im Moment haben wir auch mit dem Verbrenner noch genug zu tun.“ Schon jetzt fragten die Werkstätten aber auch für E-Autos neue Teile etwa für die Lenkungstechnik an – nur „an die Batterie gehen die Werkstätten nicht ran“.
Der europäische Zuliefererverband CLEPA sieht die Entwicklung skeptischer. Er veröffentlichte am Dienstag eine Studie des auf die Automobilbranche spezialisierten Beratungsunternehmens Berylls, der zufolge die Aftermarket-Umsätze mit E-Autos um bis zu 40 Prozent geringer sein könnten als mit Benzinern oder Dieselfahrzeugen. Ein Elektromotor bestehe aus ungefähr 200 Teilen, beim Verbrenner seien es bis zu 2000.
Überdies entfielen beim E-Auto Wartungsarbeiten wie der Ölwechsel oder der Austausch von Zündkerzen. Für freie Werkstätten sei auch der Trend zum vernetzten Auto eine Herausforderung, heißt es in der Studie weiter. Um die Fahrzeuge vor Hackerangriffen zu schützen, nutzten die Autobauer teilweise Verschlüsselungstechniken, die den Werkstätten eine Fehlerdiagnose und auch den Austausch defekter Teile erschwerten.
Diese Entwicklung sei auch für die Zulieferer problematisch, sagte Frank Schlehuber vom Verband CLEPA am Montag bei der Auftakt-Pressekonferenz zur Automechanika. Die Zulieferer wollten ihre Produkte wie bislang nicht ausschließlich an die Autobauer verkaufen, sondern auch an freie Werkstätten. „Daher ist es wichtig, dass es einen freien Reparaturmarkt gibt, der auch in der Lage ist, diese Teile einzubauen.“ Die Autobauer wiederum seien daran interessiert, über ihre Vertragswerkstätten möglichst viele Ersatzteile selbst zu verkaufen. Bislang gewährleiste die EU den Wettbewerb mittels der sogenannten Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung, die allerdings in ihrer aktuellen Form nur bis 2028 gelte. „Die Fahrzeughersteller sind unter Druck, das sehen wir auch, aber wir wollen erreichen, dass es einen fairen Wettbewerb gibt“, sagte Schlehuber.