Und diesen Flüchtlingen will man nun ganz schnell den Deutschen Pass geben. Na Prost.
„Von kleinen Kindern hört man ganz unvermittelt: ‚Scheiß Israel!‘“
Nina Coenen leitet einen Bildungsverein für Migranten und erlebt, wie Asylbewerber Hitler verherrlichen. Sie erklärt, warum Judenhass häufig ohne Widerspruch durch Flüchtlingshelfer bleibt. Und: Welcher Druck auf arabischen Asylbewerbern liegt, israelfeindlich zu sein.
WELT: Frau Coenen, Sie machen seit 2015 Antisemitismus-Prävention in Asylunterkünften. Auf welche Einstellungen treffen Sie dort?
Nina Coenen: Eine der allerersten Begegnungen damals war mit einem Geflüchteten aus Syrien mit palästinensischen Wurzeln. Der fragte uns, was wir von Hitler denken. Wir fragten zurück: Was denkst du denn? Dass er ein „guter Mann“ war. Das erlebt man oft, so eine wenig kenntnisreiche, aber positive Einstellung gegenüber Nationalsozialismus und Holocaust.
WELT: Ist das altersunabhängig?
Coenen: Ja, wobei die Jüngeren ungefilterter sprechen, Ältere verstehen das besser zu verschleiern. Von kleinen Kindern hört man, wenn zum Beispiel in einem Quiz die israelische Flagge vorkommt, ganz unvermittelt: „Scheiß Israel!“, oder: „Israel ist gar kein Land.“
WELT: Wie reagieren Sie dann?
Coenen: Es ist ganz wichtig, dass wir das nicht stehen lassen oder auch nicht irgendeine Form von falscher Toleranz anwenden, sondern dass wir direkt widersprechen und den Widerspruch sehr deutlich formulieren. Klar, bei ganz jungen Kindern kommen wir nicht direkt mit der „Anerkennung des Existenzrechts Israels“.
Aber sobald sie ein gewisses Alter haben, sagen wir: Das ist hier Staatsräson, nicht verhandelbar in diesem Land, und wenn du diese Meinung nicht teilst, dann bist du hier Fehl am Platz. Und das formuliere ich so hart, weil wir sehen, dass in den Unterkünften oder im Umfeld der Geflüchteten ganz oft eben nicht eingeschritten wird.
WELT: Warum nicht?
Coenen: Weil die Flüchtlingshelfer entweder überfordert sind oder Angst haben, ihr Verhältnis mit den Geflüchteten zu gefährden – oder weil sie Israel selber grundsätzlich für den Aggressor und die Palästinenser für unterstützenswert halten. Das ist besonders in der linken bis linksextremen Szene sehr verbreitet. Und das ist eben eine Szene, aus der vornehmlich die stammen, die mit Geflüchteten arbeiten.
WELT: Sie beschreiben eine Art toxischer Mischung.
Coenen: Das könnte ich besser nicht formulieren. Ich nenne mal ein Beispiel aus einer Unterkunft in Berlin, in der wir an einem interreligiösen Dialog teilgenommen haben. In einem Aufenthaltsraum gab es ein großes buntes Wandbild, das eine Weltkarte mit Tiermotiven und Ländernamen und so weiter dargestellt hat. Da, wo Israel ist, stand aber nicht „Israel“, sondern nur „Palästina“.
WELT: Wie kann denn Verantwortlichen in so einer Unterkunft so etwas durchrutschen?
Coenen: Überforderung, mangelnder Wille zur Konfrontation oder Ideologie aufseiten der Flüchtlingshelfer, wie gesagt. Das muss man wirklich typisch nennen, leider. Das Schlimme ist: Die Idee, da eine Weltkarte hinzumalen, haben die Bewohner ja nicht selbst entwickelt oder irgendwie allein in Eigenregie umgesetzt. Das haben höchstwahrscheinlich deutsche Flüchtlingshelfer initiiert, und dann hängt da diese Karte – was sollen die Neuankömmlinge dort dann denken, außer: In unseren Kreisen ist es legitim, Israel anzugreifen, und in Deutschland scheint es ja auch in Ordnung zu sein.
WELT: In der öffentlichen Debatte kursiert die Annahme: Wer als Asylbewerber aus einem islamischen Land kommt, ist wohl im Zweifel ein Antisemit. Stimmt das?
Coenen: Nein, nein, nein, das würde ich pauschal niemals so diagnostizieren. Bei uns im Verein helfen ganz viele Geflüchtete mit, unterstützen unsere Projekte, wirken als Multiplikatoren in ihren Communitys. Ich würde nur sagen: Es ist kein Zufall, dass diese Engagierten oft aus kurdischen Gebieten kommen.
WELT: Wo besteht der Zusammenhang?
Coenen: Weil das Risiko, das sie eingehen, nicht so groß ist. Innerhalb der kurdischen Community ist der Druck, gegen Israel sein zu müssen, lange nicht so stark wie innerhalb der arabischen Community. Trotzdem gibt es auch arabischstämmige Geflüchtete, die uns unterstützen, die dabei auch hohe Risiken auf sich nehmen, wenn sie als unsere Unterstützer in Filmen oder auf Fotos auftauchen, die dann in den sozialen Medien landen.
WELT: Sie sprechen von „Druck“ – was meinen Sie damit?
Coenen: Es gibt eine kollektive Erwartungshaltung an den Einzelnen. Der Einzelne ist oft gar kein Antisemit. Aber es wird von anderen an seine arabische Identität, seine religiöse Identität appelliert, sich solidarisch zu zeigen mit den „Glaubensbrüdern in Palästina“ – und eben Israel abzulehnen. Die allermeisten können gar keine private Meinung zu Juden haben, weil sie überhaupt keine Juden kennen – in unserer Arbeit haben sie dann oft erstmals Kontakt.
WELT: Gibt es auch Druck aus auf Ihren Verein, wenn Sie so häufig mit Israelfeinden zu tun haben, in den Helferstrukturen?
Coenen: Ich sage es mal grundsätzlich: Wenn es um Israelfeindlichkeit, Islamismus und so weiter geht, machen wir nicht nur Aufklärungsarbeit unter Geflüchteten, sondern ganz oft auch innerhalb der Hilfsstrukturen, aus denen es, wenn man diese Themen anspricht, oft Gegenwind gibt oder eine Art Festhalten an einer ignoranten Haltung. Ich finde aber: Unser Job ist es, egal in welchen Netzwerken, vor solchen Umtrieben zu warnen.
Man stößt nur ständig auf taube Ohren. Ich will nicht konkret werden, weil die Vereine ja sehr schnell mit dem Anwalt kommen. Wir haben zum Beispiel sehr deutlich innerhalb eines Integrationskreises daraufhin hingewiesen, dass es Berührungspunkte gibt von einer Mitgliedsorganisation zu einem Verein, der von Israel dem Finanzierungsapparat der Hamas zugeordnet wird.
Aber diese Zusammenhänge sind oft sehr komplex, es gehört viel Wissen dazu – Ignoranz ist dann bequemer. Und diese Ignoranz auf vielen Ebenen hat nun das Nachspiel, das wir „plötzlich“ ganz viele Hamas-Anhänger auf den Straßen erleben. Für uns ist das keine Überraschung.
WELT: Inwiefern kann Ihre Arbeit überhaupt einen signifikanten Unterschied machen?
Coenen: Präventionsarbeit ist Sisyphusarbeit, keine Frage. Für uns gibt es aber keine Alternative dazu. Aber sicher würden wir uns da viel mehr Arbeit und auch Finanzierung für diese Arbeit wünschen, damit jedem, der nach Deutschland kommt, sofort ganz klar vermittelt wird: Das Existenzrecht Israels ist hier nicht verhandelbar.
Man darf sich aber keine Illusionen machen: Was jeder, der nach Deutschland kommt, unbedingt und zuallererst will, ist eine Bleibeperspektive. Und die müsste man klipp und klar an Voraussetzungen knüpfen, sodass klar ist: Eine Bleibeperspektive gibt es nicht, wenn man sich antisemitisch geäußert oder betätigt hat. Das würde in der Breite wirken.