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Wenn der Finanzminister weiter auf die Einhaltung der Schuldenbremse pocht, könne Deutschland seine internationalen Verpflichtungen nicht erfüllen. "Das ist kein gutes Signal", kritisiert der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin.
Herr Trittin, Finanzminister Christian Lindner, FDP, sieht keine Krise mehr, er will zur finanzpolitischen "Normalität" zurückkehren. Die Schuldenbremse soll wieder ziehen. Sie widersprechen?
Jürgen Trittin: Das Grundgesetz gilt es zu respektieren, aber dann auch richtig. Unser Land trägt weiterhin eine Reihe außergewöhnlicher Sonderlasten. Wir stecken in einer Rezession, es gibt ein massives Defizit an Investitionen und in unserer Nachbarschaft tobt nach wie vor ein Krieg. Ich bin sehr sicher, wenn der Bundestag die Aussetzung der Schuldenbremse beschlösse, so wie es das Grundgesetz ermöglicht, würde das Bundesverfassungsgericht dem nicht widersprechen.
Also ist der Entwurf aus grüner Sicht nicht zustimmungsfähig?
Am Mittwoch soll der Haushalt im Kabinett schließlich verabschiedet werden.
Wir sind noch nicht am Ende der Gespräche. Die Frage lautet: Wird dieser Haushalt den Herausforderungen der Zeit gerecht? Ich meine, nein. Er deckt die zu erwartenden Belastungen aus dem Ukraine-Krieg nicht ab. Er bietet keine hinreichende Antwort auf die deutsche Investitionsschwäche. Und er verhindert, dass Deutschland seine internationalen Verpflichtungen erfüllen kann – weder in militärischer noch in ziviler Hinsicht. Das ist kein gutes Signal, sondern so wird die Haushaltspolitik zu einem sicherheitspolitischen Risiko. Auch die Frage des sozialen Zusammenhalts ist völlig ungeklärt.
Jürgen Trittin: "Wir sehen gerade in Frankreich, wohin soziale Verwahrlosung führt"
Sie spielen auf die Kindergrundsicherung an?
Wir sehen gerade in Frankreich, wohin soziale Verwahrlosung und das Sich-selbst-überlassen von Stadtvierteln und einer ganzen Generation führen. Die Unruhen in zahlreichen französischen Städten zeigen, welch sozialer Sprengstoff darin steckt. Die Kindergrundsicherung hat eine sicherheitspolitische Komponente. Auch in unserer reichen Gesellschaft wächst ein beachtlicher Teil an Kindern und Jugendlichen in Armut auf. Die Ampel hat sich vorgenommen, das zu ändern, aber ohne entsprechende Investitionen wird es nicht gehen.
Die grüne Familienministerin Lisa Paus fordert für die Kindergrundsicherung ab 2025 zusätzlich zwölf Milliarden Euro. Der Bundesfinanzminister hat ihr nun zwei Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Ein Anfang oder eine Unverschämtheit?
Was Herr Lindner da in Aussicht gestellt hat, ist kein Angebot, sondern lediglich Vorsorge für Leistungen, die er ohnehin bezahlen muss. Wenn alle endlich das bekommen würden, was ihnen schon heute nach Gesetz zusteht, reichen die zwei Milliarden Euro knapp aus.
Die Grünen hatten ihre Zustimmung zum Haushaltsentwurf zuletzt davon abhängig gemacht, dass die Finanzierung der Kindergrundsicherung geklärt ist. Ist sie das denn?
Wenn der Bundestag im Herbst einen Haushalt beschließen soll, muss die Frage der Kindergrundsicherung geklärt werden.
"Sparen in der Rezession. Das ist Voodoo-Ökonomie"
Stand jetzt ist sie das nicht.
Ich will den Gesprächen da nicht vorgreifen, ich kann nur sagen: Wir haben unsere Haltung immer klar gemacht, die grünen Bundesminister haben schon im Frühjahr den Eckpunkten zum Haushalt nicht zugestimmt. Sowohl Finanzminister Christian Lindner als auch sein Amtsvorgänger Olaf Scholz teilen den Grundsatz vom Sparen in der Rezession. Das ist blanke Ideologie - Voodoo-Ökonomie.
Langsam drängt sich eine Frage auf: Kann die Ampel keinen Haushalt?
Man muss sich sowohl an die verfassungsmäßigen Vorgaben als auch die wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten orientieren. Wenn man das ernst nimmt, kann man nicht mitten in einem Krieg und einer Rezession sagen, wir schalten um auf Austerität. Das ist kontraproduktiv und wird massiv Arbeitsplätze kosten.
Glauben sie an eine Einigung bis Mittwoch?
Wir haben die Hoffnung und den Willen das zu schaffen. Ansonsten kann ich nur frohe Verrichtung wünschen. Ein Haushalt, der an den sozialen, ökonomischen und sicherheitspolitischen Erfordernissen des Landes vorbeigeht, wird Schwierigkeiten haben, im Herbst im Bundestag verabschiedet zu werden."
Wusste gar nicht das Herr Trittin unter die Satiriker.. die soziale Verwahrlungs in Frankreich als Bsp heranziehen.. mal davon ab das man sich die Frage stellen kann wie viele Arbeitsplätze eigentlich durch die "grüne Deindustrialliserung" verloren gehen wenn das er das schon ins Feld führt..