Hier mal zwei Meinungen zur Taurus-Lieferung
https://www.stern.de/politik/taurus-rak ... 85242.html
Taurus-Raketen: Liefern Sie jetzt, Herr Scholz!
Die Bundesrepublik wird vorerst keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. Ein Fehler, meint stern-Autor Stefan Schmitz.
Andrii Chepil, ein junger Ukrainer, spielte Saxophon und gerne auch die Trembita, eine lange Naturtrompete aus Holz. Ein blonder Junge, der der Welt fehlen wird. Gefallen bei Robotyne im Süden der Ukraine. Das Geschoss, das ihn tötete, kam mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit über die Krim an die Front. Deshalb sehnen sich die Ukrainer nach Raketen wie der deutschen Taurus, mit denen sie die Zufahrtswege zur besetzten Halbinsel – es sind nur drei – zerstören können. Aber Deutschland liefert nicht. Der Kanzler zögert, weil er alles tun will, damit Deutschland nicht Kriegspartei wird.
Das sind schlechte Nachrichten für Andriis Kameraden. Und gute für alle, die weder den Sieg der Ukraine noch den von Freiheit und Recht herbeisehnen. Denn wenn die Ukraine gewinnen soll, wird Russland verlieren müssen – und dann kann es nicht das oberste Ziel sein, den Konflikt so einzuhegen, dass Putin nicht in Bedrängnis gerät.
Deutschland darf nicht zögern
Das muss er – und, ja, das ist ein riskanter Moment. Ihn aufzuschieben aber bedeutet, dass noch mehr junge Männer sterben werden. Andriis Leichnam übrigens konnte erst Wochen nach seinem Tod geborgen werden. Eine DNA-Analyse brachte Klarheit, dass der verwesenden Körper einst der des jungen Musikers war. Krieg ist grauenvoll. Wir müssen alles tun, dass er nicht zu uns kommt. Da hat Olaf Scholz recht. Aber gelingen wird das nicht, indem wir zögern, der Ukraine zu geben, was sie zum Sieg braucht."
Hinzu kommt: In Washington regiert das Chaos, in Osteuropa bröckelt die Unterstützung für die Ukraine und auch bei uns wächst das Gefühl, man solle sich doch erstmal um die eigenen Leute kümmern. Deutschland sollte da vorangehen. Beispiel sein. Zeigen, dass die Europäer sich um ihre Sicherheit eines Tages vielleicht ohne die USA kümmern können. Bleiben Sie besonnen, Herr Bundeskanzler. Liefern Sie, gerade deshalb, jetzt."
https://www.stern.de/politik/taurus-lie ... 85268.html
Scholz bremst bei den Taurus-Raketen – das ist gut so
Nach den Leopard-Panzern sollen jetzt also die Taurus-Raketen der "Gamechanger" auf dem Schlachtfeld sein. Das ist Unsinn. Dass der Kanzler zur Lieferung nein sagt, ist richtig, meint stern-Politik-Ressortleiter Veit Medick.
Eins vorweg: Natürlich muss die Ukraine gewinnen. Natürlich darf unser Einsatz nicht nachlassen. Im Krieg gegen Russland wird schließlich auch unsere Freiheit verteidigt, da zählt jedes Engagement.
Dass aber dieser Tage behauptet wird, ausgerechnet die deutschen Taurus-Marschflugkörper seien der Gamechanger, also die letzte für den Sieg der Ukraine noch fehlende Waffe, ist ermüdend. Mit demselben Argument wurde dafür geworben, deutsche Leopard-2-Panzer zu liefern. Und was ist passiert? Die Panzer sind da. An der Front verschiebt sich dadurch wenig bis nichts.
Olaf Scholz' Nein zu Taurus-Lieferungen ist richtig
Was stimmt, ist, dass der Kanzler seinen Standpunkt besser erklären muss. Es reicht nicht, im Hintergrund zu raunen, eine Taurus-Lieferung könne sogar einen Bundeswehreinsatz zur Folge haben, weil Soldaten die Ziele der Raketen bestimmen müssten.
Geradezu absurd aber ist der Vorwurf, mit seinem Nein zur Taurus-Lieferung demonstriere Scholz, dass er einen Sieg der Ukraine aus Rücksicht auf russische Befindlichkeiten nicht wirklich wolle. Wenn die ukrainische Offensive bislang schleppend läuft, liegt das sicher nicht an Berlin. Außer den USA liefert kein Land der Welt mehr Waffen als Deutschland, mehr als 20 Milliarden Euro hat Olaf Scholz dafür bereits aktiviert. Mancher Staat, der Berlin jetzt wieder unter Druck setzt, macht sich in der Ukrainehilfe ansonsten einen schlanken Fuß.
Frankreich zum Beispiel taucht in der Liste der zehn größten Unterstützer nicht einmal auf.
Bei den Taurus-Raketen zu bremsen, ist also richtig – und wird sich auch für die Ukraine auszahlen. Dieser Krieg wird noch lange dauern und er ist teuer. Den Rückhalt für das deutsche Engagement aufrechtzuerhalten, ist bei den vielen anderen aktuellen Problemen alles andere als trivial.
Gelingen kann das nur, wenn tunlichst der Eindruck vermieden wird, gedankenlos einfach alles in diesen Krieg zu schmeißen. Allein ein umsichtiger Kurs garantiert, dass wir der Ukraine langfristig werden helfen können."