"POLITISCHE LAGE VOR DER WAHL:
Eine Linksfront soll uns retten?
Das Ende der politischen Mitte: Die Union habe den „Schulterschluss“ mit der AfD vollzogen, nun stünden beide Parteien als „geeinte Rechte“ da. Das jedenfalls behaupten zwei Juristen – und plädieren für eine Linksfront aus SPD, Grünen und Linken.
Die Rechtswissenschaftler Florian Meinel und Maximilian Steinbeis haben gerade im „Verfassungsblog“ die politische Lage kurz vor den Bundestagswahlen analysiert. Ihre Beschreibungen sind dabei vom Wunsch angeleitet, den gewiss viele teilen, dem Wunsch nach möglichst klaren Unterscheidungen zwischen den Parteien. Adressiert werden vor allem die SPD und die Grünen, eine solche Situation herbeizuführen. Nach französischem Vorbild sollen sie zusammen mit der Linken in eine Linksfront eintreten.
Dazu müssen die Autoren das Feld der politischen Mitte freiräumen, ohne dass dies den linken Parteien anzulasten wäre. Also lautet ihre Diagnose, die Union habe diesen politischen Raum zerstört, der seit jeher durch die Abgrenzung von den Extremen definiert gewesen sei. Die Autoren sprechen von einem „Schulterschluss“ der Union mit der AfD, von einer „geeinten Rechten“, wenngleich „zunächst nur auf einem Politikfeld“. Welches andere Politikfeld sie sich vorstellen können, auf dem die Union Einigkeit mit der AfD zeigen könnte, sagen sie nicht. Die erheblichen Differenzen in den Programmen, etwa was die Europäische Union oder die Stellung zum Krieg in der Ukraine betrifft, werden nicht erwähnt. Der Bruch des Tabus hat für sie die gesamte Partei verunreinigt.
Das ist mehr als töricht
Ob Entschlussantrag und Gesetzentwurf der Unionsfraktion einen „Extremismus“ schon dadurch belegen, dass ihnen Extremisten zugestimmt haben, wird nicht ausgeführt. Es wird nur behauptet, es handele sich um offen rechtswidrige Vorschläge. Erweiterte Kompetenz der Bundespolizei, Begrenzung des Familiennachzugs, Einführung des Begriffs „Begrenzung des Zuzugs“ ins Aufenthaltsgesetz – all das soll „offen rechtswidrig“, soll rechtsextrem sein? Die Zuordnung der CDU/CSU-Fraktion zu einer geeinten Rechten per Deduktion: Wenn die AfD zugestimmt hat, dann war rechts, wozu sie zustimmte.
Wer eine Begrenzung der irregulären Einwanderung fordert, stellt danach „obsessiv“ einen Zusammenhang zwischen Migration und schweren Verbrechen her. Das macht es sich leicht in der Frage überproportionaler Kriminalität ausreisepflichtiger Einwanderer und suggeriert wahrheitswidrig, in der Union würden Migranten als solche für kriminell gehalten. Tatsächlich gibt es einzelne Äußerungen, die das zu belegen scheinen, etwa wenn Julia Klöckner (CDU) nach dem Aschaffenburger Attentat über Kulturen räsonierte, die nicht mit unserer Lebensweise einverstanden seien. Der Mörder als Exponent einer Kultur! Das ist mehr als töricht, um es vorsichtig zu sagen.
Polemisch und verblüffend
Daraus aber zu schließen, die migrationspolitische Initiative der Union impliziere solche wirren Kulturkreisvorstellungen, ist nur polemisch und bei anzunehmender juristischer Intelligenz verblüffend. Auch wenn sich unter denjenigen, die einen Einbruchsdiebstahl begehen, überproportional viele Angehörige aus einkommensschwachen Schichten fänden, stellt der Paragraph 244 des Strafgesetzbuches noch lange keine politische Repression einkommensschwacher Schichten dar. Meinel und Steinbeis behaupten im Grunde, man könne einer Begrenzung des Zuzugs und die Abschiebung von Personen ohne Aufenthaltserlaubnis und abgelehnten Asylbewerbern nur aus niedrigen, fremdenfeindlichen Motiven zustimmen.
Interessant ist, welche politische Folgerung sie daraus ziehen, nämlich die Kompromisslosigkeit. Da es den Raum der politischen Mitte nicht mehr gebe, solle seitens der SPD und der Grünen eine Koalition mit der CDU unter Merz ausgeschlossen werden. Das klingt unsinnig, denn das Zustandekommen einer solchen Koalition bewiese nachgerade, dass die Union sich nach wie vor in der Mitte bewegt und nichts mit der AfD im Sinn hat. Eine solche Koalition setzte voraus, über einzelne Punkte der Migrationspolitik zu verhandeln, was schon deshalb möglich sein sollte, weil insbesondere die SPD einigen von ihnen schon jetzt zustimmt. Das aber wird von Meinel und Steinbeis nicht gewollt. Für sie hat sich vielmehr jetzt der Raum einer großen Linkskoalition geöffnet. An den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Kirchen und den Deutschen Landkreistag appellieren sie, ein solches Bündnis der SPD, der Grünen und der Linken mitzutragen. Ganz ohne solche Unterstützung können sie sich eine Mehrheit der Linksfront offenbar nicht vorstellen, aber offene Wahlaufrufe ihrer Sender gingen vermutlich sogar den meisten Intendanten der ARD zu weit.
Rekapitulieren wir: Union und AfD sind für Meinel und Steinbeis zusammen so etwas Ähnliches wie das „Rassemblement National“ Marine Le Pens. Also hilft nur ein Zusammenschluss fast aller anderen, nach Art des französischen „Nouveau Front populaire“ gegen die „geeinigte Rechte“. Derzeit kommt diese hypothetische Allianz in den Umfragen auf 35 Prozent. Ob sie irgendeine Aussicht auf Regierungsbeteiligung hätte, scheint unwahrscheinlich. Robert Habeck und vor allem Lars Klingbeil werden es sich überdies gut überlegen, wie viel an Zustimmung sie in einer Linksfront verlieren würden. Zusammen gegen Friedrich Merz wegen eines Politikfelds zu demonstrieren, ist das eine, ergibt aber noch keine gemeinsame Politik.
Der Trick ist raffiniert und doch leicht zu durchschauen. Vorgeschlagen wird SPD und Grünen eine politische Strategie, die nach derzeitigem Stand auf eine Koalition von CDU und AfD zuliefe, sofern denn überhaupt noch eine Regierung gebildet werden soll. Denn der Druck auf die Union, sich auf so etwas einzulassen, würde erhöht, weil sie andernfalls gar keinen anderen Koalitionspartner mehr hätte, der eine parlamentarische Mehrheit herbeiführen würde, ohne dass eine andere in Aussicht stünde. Wir zwingen euch, heißt das, zwischen Unregierbarkeit oder Koalition mit der AfD zu wählen. Um von diesem Risiko ihres Vorschlags abzulenken, behaupten Meinel und Steinbeis kurzerhand, die Union habe Letzteres ohnehin vor.
Ja sicher.. das würde Deutschland noch am aller meisten gefehlen.. eine "Linksfront"