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"Das Ende der Regierungslieblinge
Zwanzig Jahre lang haben in Politik und Medien die Stichwortgeber des ökosozialistischen Wolkenkuckucksheims dominiert. Mit seinem kühlen Klartext zu Systemkrise und AfD-Erfolg bei Caren Miosga zeigt Ferdinand von Schirach: Ihre Zeit ist vorbei.
Die intellektuelle Landschaft Deutschlands unterteilt sich in zwei Kontinente. Schon Anfang der Nullerjahre kulminierte eine Verbitterung bei der älteren Besserwisser-Elite, die den linken Idealismus und antimarktwirtschaftlichen Kurs des Establishments kritisierte. Einige wenige, wie Hans-Werner Sinn und Thilo Sarrazin, sollten Recht behalten. Andere bedienten irgendwann nur mehr den gerontokratischen Tümpel jener, die es „immer schon gesagt“ haben. Immerhin: Sie waren keine Bücklinge vor der sich aufbauenden kulturellen Dominanz der Grünrotroten. Sie waren widerständig, aber eben auch aus der Zeit gefallen.
Ganz anders die Günstlinge des Zeitgeistes und Lieblinge der regierungsfreundlichsten Medien und der Regierung. Als Stichwortgeber eines einzigartigen Linksrucks brachten sie die Berliner Republik in zwanzig Jahren ökosozialistischen Wolkenkuckucksheims an den Rand des Zusammenbruchs – nicht nur politisch, sondern vor allem wirtschaftlich. Die intellektuellen Regierungsberater bewirtschaften ihre Stichworte beeindruckend marktförmig – sei es Steffen Mau, der brillante Christoph Möllers, Maja Göpel oder Marcel Fratzscher. Allen gemeinsam ist – auf unterschiedlichen Niveaus – die Hingabe an den Status quo.
Realismus als erste Aufgabe der Moral
Mit Ferdinand von Schirach kommt nun ein neuer Ton in die Debatte. Sein Auftritt bei „Caren Miosga“ markierte einen neuen Ansatz: die polarisierten Fronten beiseitezulassen, die Dinge beim Namen zu nennen und das Establishment – in diesem Fall in Gestalt der stets charmanten Ricarda Lang – auseinanderzuschrauben. Eisenhart, unbestechlich, unruhig. Dass eine Vorzeige-Grüne wie die Moderatorin, die bei Robert Habeck gerne mal dahinschmilzt, dem wenig entgegenzusetzen hatte, liegt an der intellektuellen Schärfe, die Schirach in eisigem Ton artikuliert. Über Jahrzehnte hat er das moralische Argument zu seiner Waffe gemacht, ohne selbst zum moralisierenden Schmierlappen zu werden. Ist der deutsche Moralismus auf das sozialpopulistische Sentiment fixiert, führt von Schirach das Ganze auf den unbarmherzigen Ton eines Immanuel Kant zurück. Keine Showmoral, sondern Realismus als erste Aufgabe der Moral – für Politiker wie Intellektuelle.
Ferdinand von Schirach analysiert die Vertrauenskrise in der deutschen Demokratie. Die Menschen wählten die AfD nicht aus Ideologie, sondern weil sie „kein Vertrauen mehr haben“. Politikverdrossenheit entstehe durch gebrochene Versprechen, Ungerechtigkeiten und nicht klar benannte Probleme – „alle drei Dinge sind passiert“. Auch den handelsüblichen Antifaschismus der Bordsteinschwalben des Zeitgeistes lehnt der Bestsellerautor ab. Ein AfD-Verbot sei „etwas zutiefst Undemokratisches“, die vorliegenden Berichte des Verfassungsschutzes reichten dafür nicht aus. Ein Verbotsantrag wäre eine „Pleiteerklärung“ und ein „Offenbarungseid“, weil er sichtbar mache, dass die etablierten Parteien es nicht geschafft hätten, den Bürgern attraktive Angebote zu machen. Das eigentliche Problem sei nicht die AfD, sondern der Verlust politischer Glaubwürdigkeit, der Bürger in die Arme der Partei treibe.
Und weil er es beim Maulen nicht belässt, skizziert er eine kühne Disruption der demokratischen Routinen: Der Bundeskanzler solle für sieben Jahre gewählt werden und nicht wieder antreten dürfen, Landtagswahlen sollten vereinheitlicht werden, und es brauche „Kanzlergesetze“, die der Regierungschef nach verfassungsgerichtlicher Prüfung einmalig ohne Parlament beschließen könne. Nur so seien Reformen bei Rente, Steuern oder Arbeitsmarkt möglich, die in heutigen Koalitionen scheiterten. „Wenn wir uns nicht zusammenreißen und sagen, wir erneuern das System, wird’s nix.“
Der Auftritt von Schirachs gibt Hoffnung auf eine neue Realität in den Debatten: Cut the Bullshit! Er will niemandem gefallen, er muss niemandem gefallen. Für ihn zählt nur ein realistischer Blick, der sich nicht in intellektuellen Spielereien verliert, sondern versteht, was die Menschen auf der Straße umtreibt. Nun mögen manche einwenden, dass ein Adliger mit NS-Familiengeschichte die Realität der Straße nur aus den mondänen Ecken Berlin-Charlottenburgs kennt – doch das greift zu kurz. Schirach ist ein sensibler Beobachter der Zeitläufe. Er hat die Malaise in obsessiver Unabhängigkeit erfasst. Man wünscht sich, er hätte größere Verantwortung. Wäre er nicht ein idealer Bundespräsident?
Von Schirachs Ansätze mit der 7 jährigen Kanzlerschaft ohne Möglichkeit der Wiederwahl und den "Kanzlergesetzen" wäre durchaus eine Überlegung wert damit könnte man die unsägliche Koalitons-Patts und die Epressereien einen der Koaltionspartner endlich abräume